Nicht ohne meine Krankheit

Krankheit existiert. Gesundheit auch. Zwischen diesen Polen werden sie erst sichtbar. Das Eine würde ohne das Andere gar nicht erkannt. Wie könnte man Krankheit ohne Gesundheit schätzen?
Ab und an trifft man auf Menschen, die sich ihre Krankheit zum Freund gemacht haben. Aber nicht, weil sie diesen Umstand akzeptiert haben, sondern weil sie ihn brauchen! Es ist so schön dramatisch, darüber zu sprechen: "wie schlecht es mir geht, was das für mich im Leben bedeutet, wie es mich einschränkt, dass ich ein armer Schlumpf bin, so viele Medikamente schlucken muss und unbedingt davon loskommen möchte, ich schon so viel ausprobiert habe, nichts hat geholfen" Es fällt auf, dass sich sichtlich im eigenen Leid gesuhlt wird! Bietet man dann einen Lösungsvorschlag an, der gibt es viele Gründe die dagegen sprechen. Das größte Gegenargument: "Ich habe keine Zeit", "ich komme einfach nicht dazu"....Was passiert da eigentlich?
Es geht nicht um Heilung. Die Krankheit ist einem ganz recht. Man möchte gesehen werden. Verstanden werden. Aufmerksamkeit. Geschichten erzählen-alle Menschen lieben dramatische Geschichten! Und man ist seine Krankheit bis zu einem gewissen Grad- wer wäre man ohne sie???
Um Heilung geschehen zu lassen, braucht es eine innere Bereitschaft alles Gewohnte (alle Ansichten, Haltungen, Bewertungen die man bewohnt) loszulassen, "ja" zum Tod (des Alten, der Krankheit) zu sagen und den Sprung in die scheinbare Auflösung zu wagen. Scheiss drauf! Das ist der Moment vom Kamel durch´s Nadelöhr, die Lücke, das Paradoxon! Man springt ohne Rücksicht auf Verluste ins Nichts. Wer weiß schon, was danach kommt? Ob sich Gesundheit einstellt? Zu sagen: "Ich springe, weil ich weiß, danach kommt die Heilung" ist Erwartung, Forderung und ein Klammern an einen einseitig verabschiedeten Deal mit dem Leben.
Das absolute "Ja" zum Aus ist gewissermaßen die Chance, das Zurückstellen auf die Grundeinstellung. Von dort haben dann neue Bilder, Erfahrungen, Schritte die Möglichkeit ein neues Muster in den eigenen Lebenskodex zu schreiben. Und wenn dieser bedeutet MIT der Krankheit auf gleichmütige Weise weiter zu leben. Diesen Schritt wird kein Lehrer, kein Arzt und Therapeut übernehmen können- und das ist ein Glück!
